Heute möchte ich von den maßgeblichen Unterschieden erzählen, die meinen deutschen Alltag nach dem Ankommen in Indien so richtig auf den Kopf gestellt haben:
Kleidung:
Wie ihr vielleicht schon auf dem ein oder anderen Foto sehen konntet, tragen wir jeden Tag traditionelle indische Kleidung. Zum einen, weil Jeans und T-Shirt auf Dauer wirklich unangenehm warm wären, und zum anderen, weil wir ja eben in das indische Leben "eintauchen" wollen, anstatt Touristen/ Gäste zu bleiben.
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mein Lieblings-Chudidhar |
Weibliche Kinder / Jugendliche und junge Erwachsene tragen meistens im Alltag den so genannten Chudidhar. Er setzt sich zusammen aus einer weiten, langen Hose, einem langen Oberteil mit mittellangen oder kurzen Ärmeln (Schultern bedeckt) und einem dünnen Schal.
Auf den ersten Blick sieht das sehr bunt zusammengewürfelt aus, doch wir wurden eines Besseren belehrt, denn was die Farbe angeht muss Schal zur Hose passen u.s.w.
Chudidhars kann man fertig kaufen, wobei anstatt der Hose dann meist eine bunte Leggins dazu getragen wird, oder man kann einen passenden Stoff kaufen uns sich Oberteil und Hose bei einem Schneider schneidern lassen (viel schöner und origineller).
Der Chudidhar kaschiert im Großen und Ganzen alles was nicht betont werden soll: Die Brust, den Po, die Beine.
Der Schal dient dabei einfach all Allzweckwaffe: Schweißtuch, Mundschutz (gegen Gestank und Dreck auf der Straße), Handtuch, oder um Kindertränen zu trocknen. Bei der Arbeit kann er allerdings ziemlich lästig und warm werden...
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Ich in Sari |
Die (älteren) Frauen, Erzieherinnen, Lehrerinnen und Respektpersonen tragen einen Sari (auch Saree). Ein Sari ist ein 6 Meter langes Tuch, das in komplizierter Technik um den Körper geschlungen wird und auch noch gut aussieht und gleichzeitig ebenfalls viel verdecken soll. Alles wird nur mit Sicherheitsnadeln befestigt und jede Falte muss exakt sitzen. Wir haben es zwar schon alleine versucht uns den Sari zu binden (sonntags in der Kirche müssen wir Sari tragen), waren auch einigermaßen stolz, dass alles gehalten hat, wurden dann aber nur belächelt und noch einmal neu angezogen.
Zum arbeiten und einkaufen und generell im Alltag ist ein Sari aus unserer Sicht jedoch das unpraktischste was eben geht und noch sehr warm dazu, also bewundern wir nur die Frauen die tagein tagaus Sari tragen.
Die Männer in Indien sind da schon eher westlich gekleidet. Eine Jeans sieht man eher selten aber viele tragen Stoffhosen und Hemd. Manche Männer tragen allerdings auch einen Dhoti. Das ist ein weißes Stofftuch (gibts auch bunt kariert), dass um die Hüften entweder kurz oder lang getragen wird. Sieht dann in etwa aus wie ein Rock, hält aber meistens nicht so gut und bringt Männer schnell mal dazu nur noch halb bekleidet dazustehen. Stört trotzdem niemanden, wobei es bei Frauen gleich ein Skandal wäre. Arbeiter laufen auch häufig nur in Dhoti und oberkörperfrei herum.
Babys und Kinder hingegen tragen kaum traditionelle Sachen, sondern bunte Kleider, westliche, bedruckte T-Shirts und Jeans oder einfach gar nichts (im Dorf).
Die rechte Hand:
Wie man vielleicht schon mal gehört hat, wird in Indien sehr deutlich zwischen der rechten und der linken Hand unterschieden. Die rechte ist die reine und die linke die unreine Hand. Das ist auch fast wörtlich zu nehmen ..
Die linke Hand wird zum Waschen benutzt (zum Beispiel nach dem Toilettengang, da es kein Papier gibt) und die rechte Hand zum Geld geben, grüßen und vor allem zum Essen. Mit der linken Hand zu essen ist wirklich ein No-Go !
Ihr könnt ja mal versuchen Gräten aus dem Fisch zu pulen mit einer Hand oder eine Mandarine zu pellen, dann fühlt ihr euch genauso wie wir hier in den ersten Tagen.. Aber Übung macht den Meister.
Ja und Nein:
Ein wirklich klares Nein gibt es in Indien nicht wirklich. Es gibt zwar ein Wort dafür ("illai"), doch das wird nie allein stehend ausgesprochen, sondern nur für Verneinungen gebraucht. Bist wir rausgefunden hatten, wie wir trotzdem ein "Nein" ausdrücken können ohne unhöflich zu sein, vergingen dann auch ein paar Wochen. Das Strecken der Handfläche nach Vorne in Richtung des Gegenüber zeigt dieses " Nein". Ein bisschen wie das Stopp-Zeichen mit der Hand in Deutschland.
Zustimmung wird in Indien mit einem "wackeln" des Kopfes ausgedrückt, das heißt so ähnlich wie unser "nein" in Deutschland, doch auch wieder ganz anders irgendwie. Naja, am Anfang hat einen das echt auf die Palme gebracht, weil man total durcheinander gekommen ist aber jetzt "wackeln" wir schon fleißig mit.
Schmuck:
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Eine besonders kitschige Variante aus Papier |
Schmuck gibt es in Indien reichlich und farbenfroh kitschig in alle Richtungen. Über Gold und Silber bis zu selbstgemachten Ohrringen aus Papier.
Verschiedene Schmuckstücke haben allerdings auch sehr unterschiedliche und ausschlaggebende Bedeutungen. Also sollte man sich im Vorhinein besser informieren bevor man in diverse Fettnäpfchen tritt. So haben wir zum Beispiel, ganz nach westlichem Stil, nur ein Fußkettchen getragen und durften nachher herausfinden, dass immer zwei getragen werden, weil ein einzelnes auf Prostitution hinweist. Sehr peinlich !
Genauso gibt es eine Kette mit einem bestimmten symbolischen Anhänger, die alle Frauen nach der Hochzeit tragen müssen. Dieses Symbol variiert nach Bundesstaat und Religion natürlich.
Ansonsten ist es aber so, dass man in Indien generell viel mehr Schmuck trägt und auch angesprochen wird, wenn man keine Armreifen oder Ohrringe trägt. Das endet dann häufig damit, dass man etwas geschenkt bekommt.
So das soll es auch erst gewesen sein, zum Essen schreibe ich dann noch mal extra.
Vielleicht versteht ihr jetzt ein bisschen besser, warum es am Anfang echt nicht leicht für uns war sich einzuleben und dass Indien für uns nicht mehr nur ein anderes Land, sondern eine ganz neue Welt ist.
Schreibt mir gerne, wenn ihr Fragen habt. Ich kann natürlich auch nicht für alles garantieren und Ausnahmen gibt es immer, aber ich mache mich dann schlau und berichte euch aus erster Hand.